Rückblick auf die Fachtagung der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung in Sachsen

Am 11.09.2024 fand die Jahresfachtagung Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung in Sachsen statt. Unter die Teilnehmenden hatten sich auch einige Sozialarbeiterinnen verschiedener Bildungsträger gemischt. Am weitesten angereist waren (neben der Referentin aus Bonn) eine Teilnehmerin der LAG Berlin und ein Teilnehmer der LAG Brandenburg. So hat die Fachtagung zur fachübergreifenden und überregionalen Vernetzung beigetragen.

Nach der herzlichen Begrüßung und einleitenden Worten durch Referatsleiterin Frau Meves stellten sich die Workshopleiterinnen und Workshopleiter vor und stimmten thematisch auf die Workshops nach der Mittagspause ein.

Den Reigen eröffnete Dirk Beyer, Schuldnerberater bei der Diakonie Rochlitz, mit best-practice-Beispielen. Zunächst führte er ein, dass 15 Stunden entsprechend des Stellenanteils für Prävention sehr wenig sind, woraus sich auch die Frage der Nachhaltigkeit von Präventionsveranstaltungen ergibt. Er berichtete kurz von den in 2023 und 2024 von der Diakonie Rochlitz durchgeführten Präventionsveranstaltungen und Aktionen. Mit den Worten „Mach dir ‘nen Plan“, „Karten Familiensituationen“, „Haushaltswaage“ und „Angelspiel“ weckte er die Neugier darauf, was die Teilnehmenden im Workshop erwartet. Bemerkenswert, welcher Aufwand in der Fertigung der Präventionsmaterialien steckt, die Herr Beyer im Gepäck hatte.

Auflockernd auch sein trockener Humor: Sagt der Richter zum Angeklagten: „Sie können wählen zwischen 10 Tagen Gefängnis oder 1.000 Euro. Sagt der Angeklagte: „Dann nehme ich doch lieber das Geld.“…

Herr Beyer übergab den Staffelstab an Tobias Söhne von der Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung (IWJB) gGmbH, der uns das Projekt „Zukunftstag“ vorstellte. Es ist entstanden unter der Devise „Machen statt Meckern“, also nicht den Mangel an finanzieller Bildung an Schulen zu beklagen, sondern diesem Mangel abzuhelfen. Inzwischen sehr bekannt ist ja die Klage von „Naina“, die im Netz kursierte: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete und Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen.“ Mit dem „Zukunftstag“ soll Schülerinnen und Schülern in einer Art Crashkurs finanzielles Wissen vermittelt werden.

Der „Zukunftstag“ wird im gesamten DACH-Raum durchgeführt und ist in allen Bundesländern vertreten. Ziel der Initiative ist es, dass jede Schülerin und jeder Schüler einmal in seiner Schulzeit den Zukunftstag erlebt und damit im Umgang mit Finanzen etwas besser vorbereitet ist auf das Leben nach der Schule. Die Initiative wird gefördert von Bund und Ländern, von Stiftungen und Schulträgern. Ein Großteil der Förderung wird dafür aufgewendet, die Mitarbeitenden zu schulen.

Im Anschluss gab uns Frau Beate Bowien-Jansen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) einen Überblick über das „Curriculum Finanzielle Bildung für Erwachsene“. Es wurde am Institut unter enger Zusammenarbeit mit der Schuldnerberatung entwickelt. Es knüpft an am Kompetenzmodell und ist darauf ausgerichtet, das erworbene Wissen fest zu verankern. Das gelingt durch die Ankergeschichte, hier die Familie Müller, bei der jedes Familienmitglied möglichst authentische Herausforderungen mit Einfluss auf die finanzielle Situation zu meistern hat. Zahlreiches Lern- und Lehrmaterial dazu kann heruntergeladen werden unter:  DIE | CurVe Curriculum – Finanzielle Grundbildung (die-bonn.de). Auch ein Quiz zur finanziellen Bildung ist dabei. Sehr hilfreich ist, eigenständig Aktualisierungen vornehmen zu können, weil es die Materialien sowohl als PDF als auch als Word-Dateien gibt. Das Sahnehäubchen ist zweifellos das von sehr spielaffinen Mitarbeitenden entwickelte Spiel Monetto, in dem wiederum die Familie Müller allerlei Aufgaben zu bewältigen hat.

Frau Bowien-Jansen brachte uns das letzte Exemplar des Spieles mit. Das Spiel ist restlos vergriffen. Es soll auf Wunsch der Beraterinnen und Berater in der Landesfachstelle zum Verleih zur Verfügung stehen. D.h. das Spiel ist gar nicht erst in der Landesfachstelle angekommen, sondern gleich in den Verleih gegangen. Wir sind gespannt auf die Rückmeldung aus der Praxis. Wenn Sie das Spiel für Ihre Präventionsveranstaltungen ausleihen möchten, melden Sie Ihren Bedarf bitterechtzeitig bei der Fachstelle an. Ein positiver Ausblick: Frau Bowien-Jansen stellte eine Neuauflage des Spiels in Aussicht, wenn das Folgeprojekt bewilligt wird.

Den Reigen des auf die Workshops Neugierigmachens beschloss Frau Jana Möckel, Sozialpädagogin und Dozentin an einer Fachschule für Sozialwesen in Leipzig und „Finanzbotschafterin“. Wie ihr unmittelbar anzumerken war, arbeitet sie gern mit jungen Menschen und versteht es, sie in ihrer Lebenswelt abzuholen, und das immer unter dem Motto: „Ihr kriegt das hin!“

Ihr Einstieg als Finanzbotschafterin war ihre eigene Finanzgeschichte und die Erkenntnis, dass viele ihrer Schülerinnen und Schüler am Übergang zum Berufsleben vor großen finanziellen Herausforderungen stehen, sei es die erste eigene Wohnung, seien es Gehaltsverhandlungen mit potentiellen Arbeitgebern usw. Ein Beispiel aus ihrer Praxis: Mit Teilnehmenden an ihren Workshops an einer Gehaltsabrechnung entlanghangelnd, wird nicht nur klar, was Brutto und Netto ist, sondern es lassen sich spielend weitere Themen, wie Rentenvorsorge, bearbeiten.

Der Satz: „Geld hat viel mehr mit Psychologie zu tun als mit Finanzen“ aus dem Buch von Morgan Housel: „Über die Psychologie des Geldes“ ist bestechend einfach und wahr. (Die Landesfachstelle wird es anschaffen und bei Bedarf verleihen.)

Im Workshop wurden die von Frau Möckel angerissenen Themen vertieft. Aus der Erkenntnis heraus, dass junge Menschen ihr finanzielles Wissen (und damit auch Unwissen und Halbwahrheiten) aus dem Internet holen (Finfluencer), bezieht sie beispielsweise Chat GPT ein. Bei Eingabe der Frage, wie man schnell zu einem Vermögen kommt, hat Chat GPT eine Menge Antworten parat, die ganz am Ende mit dem Hinweis versehen sind, dass manche Geldanlagen sehr risikobehaftet sind.

Prof. Dr. Roland Happ, Leiter des Instituts für Wirtschaftspädagogik der Universität Leipzig, ist den Teilnehmenden an der Jahresfachtagung von 2022 schon bekannt. Seinerzeit war es der Wunsch, zu erfahren, wie es um die finanzielle Bildung sächsischer Schülerinnen und Schüler bestellt ist. Prof. Happ konnte mit Ergebnissen dazu aufwarten. Diese widerlegen klar die Forschungsergebnisse der Flossbach von Storch-Stiftung, die mit ihrer sogenannten OeBiX[1]-Studie Sachsen ein ganz schlechtes Zeugnis ausstellt und Sachsen im Ländervergleich auf dem letzten Platz landen lässt.

Die OeBiX-Studie beruht auf der Häufigkeit von Begriffen in Lehrplänen. Prof. Happ ist mit seinem Team einen anderen Weg gegangen und hat ein Instrument zur Wissensmessung im Bereich der finanziellen Bildung entwickelt. Dabei sollte auch der Frage nachgegangen werden, ob und was daran hindert, das Wissen auch in das Handeln umzusetzen. Dazu wurden in einer Stichprobe 400 sächsische Schülerinnen und Schüler unterschiedlichster Schulformen befragt. Dabei waren die Fragen möglichst situativ und verhaltensnah angelegt, also nicht: „Weißt du, was Inflation ist?“, sondern: „Weißt du, wie Inflation sich auf dich auswirkt“. Weiterhin gab es einen Test zum Kaufverhalten und Bedürfnisaufschub.

Ebenso wurden auch Schülerinnen und Schüler aus Hessen befragt. Hessen hatte in der OeBiX-Studie besser abgeschnitten als Sachsen. In der Studie durch die Universität Leipzig konnte dieses Ergebnis nicht bestätigt werden, beide Länder liegen fast gleichauf.

Prof. Happ und sein Team forschen weiter im Bereich, welche typischen Fehler junge Menschen im Finanzbereich machen und wie Lehrkräfte darauf eingehen können. Sein starkes Plädoyer ist, finanzielle Bildung ganz selbstverständlich in verschiedene Fächer einfließen zu lassen. Der Möglichkeiten gäbe es sehr viele…

Nach der Mittagspause ging es dann in die am Vormittag angekündigten und eingeführten Workshops, wobei die Möglichkeit bestand, jeweils zwei zu besuchen. Stimme einer Teilnehmerin: „Ich bin bei uns diejenige, die am meisten in der Prävention macht. Ich freue mich, dass die Tagung heute so einen Workshopcharakter hat“

[1] Index Ökonomische Bildung in Deutschland